Chasselas
Der Chasselas und sein langes Leben.
Pier Tognini: «Spricht man von grossen Weinen, ist das meistens gekoppelt mit der Langlebigkeit dieser Gewächse. Die berühmten Sauternes, die deutschen Rieslinge oder auch die Burgunder offenbaren sich erst nach etlichen Jahren Flaschenreife vollständig. Dass auch der Chasselas diese Eigenschaft aufweisen kann, ist kaum jemandem bewusst. Ich durfte in meiner Laufbahn als Sommelier schon öfters reife bis sehr reife Chasselas probieren. Ein zehnjähriger Fendant von Robert Taramarcaz (Domaine des Muses) oder auch ein fünfjähriger Grand Cru Mont de Veaux von Henri Cruchon zeigten sich von ihrer besten Seite. Die aromatische Entwicklung über die Jahre hinweg ist erstaunlich und bemerkenswert. Trotz der tiefen Säure altern die Weine sehr langsam und verwandeln sich in sehr anspruchsvolle Gewächse. Die allergrössten Erlebnisse sind immer die «alten» Dézaley Médinette von Louis Bovard. Fast bei jedem Besuch in seinem Keller in Cully holt Louis eine gereifte Flasche hervor. Man kann es fast nicht glauben: Ein Chasselas aus 1972 strahlt noch vor Lebensfreude und bietet einen unbeschreiblichen Genuss! Es ist ein Zeitzeuge aus einem Jahrzehnt, in dem der Schweizer Wein ein nicht sehr vertrauenswürdiges Image hatte. Heutzutage werden die Weine mit viel mehr Wissen im Rebberg und viel sanfterem Vorgehen im Keller hergestellt. Ich empfehle den Liebhabern von Chasselas, sich einige Flaschen auf die Seite zu legen und sie nach 5–15 Jahren hervorzuholen. Sie werden begeistert sein.»