Tessin

Die «Sonnenstube der Schweiz» steht für erstklassige Merlots mit alpiner Frische und grossem Potential. Dank vielfältigen Terroirs und grosser Innovation gehört das Tessin heute zu den dynamischsten Weinregionen der Schweiz.

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Tessin

Merlot und Bordeaux auf Augenhöhe.

Die Weinbauregion Tessin ist die südlichste der Schweiz. Sie wird unterteilt in die zwei Hauptregionen Sopraceneri im Norden und Sottoceneri im Süden – getrennt durch den Monte Ceneri. Zum Sopraceneri wird weinbaumässig auch das politisch zum Kanton Graubünden gehörende Valle Mesolcina (Misox) an der Südrampe des San Bernardino Passes gezählt.


Von der Anbaufläche her ist das Tessin das viertgrösste Weinbaugebiet der Schweiz. Vor 100 Jahren betrug die Anbaufläche im Tessin noch rund 6000 ha, sie nahm aber kontinuierlich ab, bis sie in den 1980er Jahren unter 900 ha fiel. Nach der «Revolution» des Tessiner Weinbaus zu dieser Zeit (siehe unten) nahm die Anbaufläche langsam wieder zu und beträgt aktuell circa 1100 ha.

Klima und Böden

In den teils steilen Hanglagen des Sopraceneri ist die Humusdicke oft gering, der Untergrund besteht aus Granit und Gneis. In der Magadinoebene beim Lago Maggiore findet man Schwemmlandböden. Im südlichen Sottoceneri dominieren kalk- und lehmhaltige Böden. Das Tessin wird oft als die «Sonnenstube der Schweiz» bezeichnet – die jährliche Sonnenscheindauer beträgt rund 2200 Stunden. Gleichzeitig wird das Klima im Tessin durch oft heftige Niederschläge geprägt, was für die Winzer zu grossen Herausforderungen führen kann. Die jährliche Niederschlagsmenge (Durchschnitt 1991 – 2020) beträgt für Lugano 1560 mm, für Locarno sogar 1850 mm.

Rebsorten

Während bis zu den 1980er Jahren rund 95% der Produktion Rotweine waren (hauptsächlich aus der Sorte Merlot), haben in der jüngeren Vergangenheit vermehrt auch weisse Rebsorten wie Chardonnay und Sauvignon Blanc Aufnahme in den Sortenspiegel gefunden. Der Anteil der Anbaufläche für Merlot beträgt heute rund 82%, derjenige für weisse Rebsorten ist kontinuierlich auf 9% gestiegen. Der Rest sind alte Sorten, die in der Weinbereitung nur eine kleine Rolle spielen oder keine Verwendung finden. Weil aus der Rebsorte Merlot auch der beliebte «Merlot Bianco» erzeugt wird, beträgt der Anteil an Weissweinen rund 20% der Gesamtproduktion. Mit der Modernisierung der Rotwein-Stilistik haben auch weitere rote Rebsorten Aufnahme in die Anbauflächen gefunden. So findet man heute Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Syrah oder die Neuzüchtung Arinarnoa in den Weinen – meist als Bestandteil einer Assemblage, selten als reinsortige Weine.

Cantine Stucky-Hügin: Steile und sonnenverwöhnte Weinberge mit Blick auf den Lago Maggiore.
Cantine Stucky-Hügin: Steile und sonnenverwöhnte Weinberge mit Blick auf den Lago Maggiore.

Weinstil

Bis Anfang der 1980er Jahre war der «Merlot del Ticino» ein Massenprodukt, das aufgrund der sortentypischen Eigenschaften des Merlot (zugängliche, füllige und harmonische Weine) auf grosse Beliebtheit stiess. Anspruchsvollere Weinkonsumenten wandten sich aber eher den Weinen aus Bordeaux zu, die zu dieser Zeit auch noch erschwinglich waren. Dann fand die «oenologische Revolution» statt, als Anfang der 1980er Jahre eine Gruppe Deutschschweizer Pioniere mit akademischer Ausbildung (z.B. Agronom, Forst-Ingenieur) im Tessin sesshaft wurde. Diese Gruppe hatte sich zum Ziel gesetzt, das Potenzial der Lage und der Rebsorte Merlot auszuschöpfen und Weine nach dem Vorbild grosser Bordeaux-Weine zu keltern. Optimierung der Anlagen im Rebberg (teilweise Rodung und Neupflanzung), Ertragsbeschränkung, Ergänzung des Sortenspiegels mit Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc, Perfektionierung der Kelterung und Ausbau in Barriques – das waren die wichtigsten Hebel für die Qualitätssteigerung.


Diese Gruppe mit Werner Stucky (heute Cantine Stucky-Hügin), Daniel Huber, Adriano Kaufmann, Christian Zündel und Eric Klausener eroberte mit ihren Weinen bald beachtliche Resonanz in Vergleichsdegustationen – ihre Weine wurden nicht selten mit grossen Merlot-Weinen wie Château Pétrus auf Augenhöhe verglichen. Diese Gruppe von Winzern ist heute im Begriff, in den Hintergrund zu treten und ihre Weingüter den Nachfolgern zu übergeben. Die Qualität der Weine bleibt sehr hoch, auch in der Breite, da der Erfolg der Pioniere weitere Winzer inspiriert und motiviert hat. So ist die Liste der erfolgreichen Spitzenproduzenten im Tessin erfreulich angewachsen. Die Weine der Cantina Kopp von der Crone Visini, Castello Luigi und Enrico Trapletti sind weitere Flaggschiffe der Schweizer Weinproduktion und müssen den Vergleich mit grossen Bordeaux-Weinen nicht scheuen. Zugleich bringt die Region auch immer wieder aufstrebende Jungwinzer hervor, welche in naher Zukunft noch von sich zu reden machen werden. So zum Beispiel der Top-Jungwinzer Adrien Stevens oder die talentierte Madlaina Erni aus dem Misox.