Domaine des Ardoisières
Die Leichtigkeit des Seins.
Oft wird in der Welt der Weine mit dem Ausdruck «Cool Climate» ein regelrechter Hype erzeugt, ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob die genannten Weine diese Bezeichnung wirklich verdient haben. Ich denke da z.B. an Pinot Noirs aus allen möglichen Regionen dieser Welt, die mit fast 14.5% vol. aufwarten. Und dennoch werden sie als «Cool Climate»-Weine gefeiert... Oder an gewisse spanische Gewächse, die auf fast 1000 m ü. M. heranwachsen.
Natürlich ist es da in der Nacht kalt, das hilft aber nicht, die Alkoholwerte zu reduzieren. Oft knacken sie die 15% vol. Auch in der Schweiz prahlen wir mit Weinen aus alpinen Gebieten gerne mit dem Ausdruck. Doch wenn eine Petite Arvine gegen 14.7% vol. aufweist oder ein Pinot Noir wie eine Fruchtkonfitüre daherkommt, frage ich mich, wie man auf solche absurden Schlüsse kommt. «Cool Climate» bedeutet doch für einen Wein, eine strahlende Frische zu haben, gepaart mit Saftigkeit, hoher Säure, tiefem Alkoholgehalt bei kompletter Vergärung des Zuckers. Und nicht Frische durch Unreife oder an den rotfruchtigen Aromen eines Rotweines festgenagelt. Denn auch ein Côtes du Rhône kann mit Erdbeer- und Himbeeraromen auftrumpfen, kühl kommt er trotzdem nicht daher. Kurz und gut: Kühle Weine stammen von kühlen, moderaten Regionen, und der Winzer gibt die Richtung an, was er schlussendlich in die Flasche bringen möchte. Wie immer übrigens, egal woher der Wein stammt.
Wir fahren Richtung Albertville in Savoyen und sehen kaum einen Unterschied zu den Alpentälern in der Schweiz. Savoyen ist eine fast vergessene Weinregion, zumindest bei uns in der Deutschschweiz. Eine einzigartige Region mit vielen einheimischen Traubensorten, kleinen zerstückelten Parzellen, auf unterschiedlichen Böden und in verschiedenen Tälern. Auch die vielen Ursprungsbezeichnungen helfen kaum weiter, sich ein Bild zu machen von der Diversität der gekelterten Gewächse. Das Gebiet fängt fast in der weltberühmten Bresse an und zieht sich bis kurz vor Albertville, nach Norden hin zum Genfersee, im Süden fast bis Grenoble. Unser Ziel ist die Domaine des Ardoisières, ein Weingut mit Kultstatus, vor allem bei den berühmten Restaurants und Sommeliers dieser Welt. Brice Omont, der Leiter, Oenologe, Winzer und das Mädchen für alles des Weingutes empfängt uns und freut sich sichtlich, dass eine Weinhandlung aus der Nähe von Zürich sich ernsthaft für seine Weine interessiert.
Nach einem kurzen Besuch in den weit verteilten Rebbergen geht es zur Verkostung. Schon nach dem ersten Wein ist uns sonnenklar, womit wir es hier zu tun haben. Wenn wir schon von «Cool Climate» sprechen, dann trifft das hier zu 100% zu. Nie zuvor sind uns Weine untergekommen, die so kühl daherkamen. Eine aromatische Frische sondergleichen, eine Fruchttiefe ohne irgendwelche Schwere, eine Länge ohne hohe Alkoholgrade, eine Mineralität zum Niederknien. Die Weine bewegen sich zwischen 11% vol. und maximal 12,5% vol. Die Weissweine sind umwerfend mineralisch, ja man könnte sagen «fast karg». Doch mit der Zeit im Glas steigt die Komplexität und Brice erklärt uns, man sollte die Weine reifen lassen, denn nach einiger Zeit in der Flasche dringt das Terroir hervor und zeigt sich von seiner besten Seite. Das beweisen die gereiften Exemplare, die wir im Vergleich zu den aktuellen Jahrgängen probieren dürfen. Die Rotweine sind an Leichtigkeit und Trinkfluss nicht zu überbieten. Trotzdem weisen sie eine enorme Länge auf, sie schweben praktisch über den Gaumen. Sie verhalten sich aromatisch irgendwo zwischen Pinot Noir und Syrah, kühl, straff, kristallin wie ein kalter Bergbach. Man sollte sich diesen Weinen sanft nähern, ohne Vorurteile, mit Offenheit. Liebhaberinnen und Liebhaber von wuchtigen Gewächsen werden wohl ihre liebe Mühe haben mit solch kühlen Weinen.
Kontinentales Klima
Wie an vielen Orten in Europa ist das Klima kontinental geprägt. Das bedeutet warme bis heisse Sommer und kalte Winter. In Savoyen gibt es doch einige Unterschiede. Die Sonne strahlt deutlich später auf die Weinberge und geht auch früher unter. Denn rundherum ragen die Gipfel der Savoyer Alpen schneebedeckt in die Höhe. Die Exposition der Reben ändert sich ständig. Es ist nicht wie im Wallis, Veltlin oder Bündnerland, wo sich alle Rebanlagen in einem Tal befinden, entweder von Norden nach Süden oder von Westen nach Osten. In Savoyen gibt es sehr unterschiedliche Voraussetzungen, manche Reben liegen in der Nähe eines Sees oder in eher hügeligem Gelände und andere wieder in steilen Lagen in den Tälern. Das beeinflusst die Reife der Trauben natürlich stark. In unserem Fall ist es so, dass es die kühlste Zone von ganz Savoyen ist. Der Frost macht den Winzern stark zu schaffen, nicht selten befällt er die Reben. Durch die Klimaerwärmung treten die Knospen früher hervor und sind so dem Frost ausgeliefert. Von den letzten fünf Jahrgängen waren drei vom Frost geprägt.